Die Baureihe 922-3 (bad. Xb)
Das Vorbild
Als einzige ausgesprochene Rangierlokomotive für die grossen Verschiebebahnhöfe beschaffte die Badische Staatsbahn zwischen 1907 und 1921 insgesamt 98 Maschinen der Gattung Xb mit der Achsfolge D. Bis
zu diesem Zeitpunkt wurde diese Aufgabe insbesondere von den dreifach gekuppelten Maschinen der Gattungen VIIa und Xa sowie von solchen, die für den Streckendienst nicht mehr geeignet waren, geleistet. Die Leistung
dieser Maschinen reichte aber für die Zusammenstellung schwerer Güterzüge nicht mehr aus, so daß ein leistungsfähiger Ersatz gesucht wurde. Die Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe bekam die Zusage für den Bau dieser
Maschinen. Die Lokomotiven waren zu diesem Zeitpunkt richtungsweisend. Durch die hohe Kessellage konnte die Feuerbüchse über dem Rahmen angeordnet werden. Außerdem konnte ein flacher, T-förmiger Wasserkasten
realisiert werden, dessen Mittelteil zwischen den Rahmenwangen angeordnet war und sich deshalb positiv auf die Sichtverhältnisse auswirkte. Entsprechend der intermittierenden Betriebsweise im Verschiebedienst waren
die Dampfdome über ein Überströmrohr verbunden. Ein ausreichend dimensioniertes Blasrohr gewährleistete auch bei den geringen Rangiergeschwindigkeiten ausreichenden Unterdruck. Da die Vorteile des Heißdampfes im
Verschiebedienst kaum genutzt werden können, entschied man sich für ein Zweizylinder-Naßdampftriebwerk. Die Maschinen bewährten sich ausgesprochen gut und wurden in insgesamt 7 Lieferungen beschafft, welche sich nur
geringfügig unterschieden
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Reihe
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Stückzahl
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Hersteller
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Baujahr
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Xb 1
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20
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MBGK
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1907/08
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Xb 2
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12
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MBGK
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1908/09
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Xb 3
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11
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MBGK
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1914
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Xb 4
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6
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MBGK
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1915
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Xb 5
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9
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MBGK
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1918
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Xb 6
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10
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MBGK
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1919
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Xb 7
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30
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Maffei
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1921
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<= Xb Reihe 7 #310, Maffei 1921
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Die Maschinen ab Reihe 3 aufwärts unterschieden sich durch die unverkleidete Rauchkammer, einer vergrößerten Verdampfungsheizfläche sowie in einer Aussparung in den vor dem Führerhaus
angeordneten Vorratsbehältern von ihren Vorläufern. Die Maschinen der Reihe 7 hatten eine geänderte Schieberstangenführung sowie geänderte Rangiertritte mit beidseitigen Rangierstangen.
Bis auf die als Reparationsleistungen an Frankreich und Belgien abgegebenen Maschinen übernahm die DRG alle verbleibenden 90 Exemplare als BR 92 2-3, welche überwiegend im Südwesten als
Rangierloks eingesetzt wurden. Für den Einsatz in den Karlsruher Raffinerien und im Mannheimer Hafen wurden die Lokomotiven mit Siebaufsätzen auf dem Schlot als Funkenfänger eingesetzt. Die letzte Maschine der
DB wurde 1966 verschrottet.
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Als einzige Maschine der Gattung Xb ist die 175 der Reihe 5 der Nachwelt erhalten geblieben. Diese Maschine, die im Zuge der
Reparationsleistungen an Belgien abgegeben werden musste, wurde bei einem belgischen Schrotthändler wieder entdeckt und kam im
Jahre 1986 zum Museum für Verkehr und Technik nach Berlin. Inzwischen steht sie im DGEG-Museum in Neustadt/Wst. und wartet auf die Aufarbeitung. Weitere Aufnahmen unter Museumslokomotiven Xb 175.
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Die BR 922-3 als H0-Modell von Liliput
Zwei Firmen hatten sich in der Vergangenheit der BR 92 angenommen, zuerst Fulgurex 1983 mit einem nach meiner Meinung bis heute nicht getoppten Supermodell der 92 289 und dann Model Loko mit
einem Weißmetallbausatz. Der Umbau dieser Modelle in die badische Ausführung Epoche I wird im Umbaubericht Gattung Xb beschrieben. Seit
einigen Tagen ist nun die dritte Variante im Handel, die mit Spannung erwartete BR 92 in Ausführung Epoche II von Liliput. Nachgebildet wurde die BR 92 202. Die Maschine wirkt äusserlich auf Anhieb recht
gelungen, wenngleich beim genaueren Hinschauen einige Fehler auftauchen. Rahmen und Räder sind aus Druckguss, der Aufbau der Maschine wurde komplett in Kunststoff gefertigt. Ein Blick auf die nachfolgende
Masstabelle zeigt, dass die Maschine weitgehend massgeblich realisiert wurde. Aufgrund des hohen Spurkranzes konnte der Achstand nicht eingehalten werden. Alle weiteren Abweichungen sind unter 1%.
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Vorbild
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1:87
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Liliput
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Abweichung
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LÜP
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10650
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122,4
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121,8
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-0,5%
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Radstand
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3x1450
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3x16,7
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3x17
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+1,8%
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Raddurchmesser
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1262
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14,5
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14,3
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+1,4%
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Kesselmitte ü. SO
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2700
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31
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31,4
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1,2
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Schlot ü. SO
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4500
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51,7
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52
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0,6%
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Pufferbohlentisch ü. SO
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1360
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15,6
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15,6
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+/-0
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Führerhausdach ü. SO
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3860
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44,4
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44,2
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0,4%
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Breite Führerhaus
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2900
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33,3
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33,4
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+0,3%
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Technik
Der Antrieb erfolgt über eine Schnecke/Stirnradkombination auf die hintere mit Haftreifen versehene Kuppelachse und von dort über die Kuppelstangen auf die übrigen Achsen. Das Maschinchen
läuft recht gut, in Verbindung mit einem Teichmann-Fahrregler bewegen sich die umgerechneten Grenzgeschwindigkeiten zwischen 2 und 75 km/h (11 V). Die max. Geschwindigkeit liegt somit deutlich über der
der Vorbildmaschine. Die Fahrgeräusche sind erträglich. Die beiden mittleren Achsen sind seitenverschiebbar. Die Achsen sind nicht gefedert. Die Stromabnahme erfolgt über verdeckt angeordnete
Radschleifer auf die Innenseite aller acht Räder. Die Beleuchtung wechselt mit der Fahrtrichtung, der Lichtton ist angenehm gelb. Bei der Minimalgeschwindigkeit sind die Lichter (LEDs) dunkel. Zum
Umrüsten auf Digitalbetrieb ist eine 21polige Schnittstelle eingebaut, deren Funktion jedoch nicht geprüft werden konnte.
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Vorbildtreue/Detaillierung
Einige (vermeidbare!) Fehler trüben das Erscheinungsbild des Modells, im einzelnen:
- falscher Luftpumpentyp (zweistufig mit Kühlrippen statt einstufig glatt)
- falscher Schmierpumpentyp (Friedemann rund statt rechteckig)
- vom konkreten Vorbild abweichende Schlotform (ohne Funkenfänger statt mit)
- Fehlender Gasbehälter
- vereinfachte Injektoren
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Die Lokführerseite der Vorbildmaschine: Entsprechend dem Einsatz im Mannheimer Hafen war die Lok mit einem Funkenfänger ausgestattet.
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Das Liliput-Modell: Schlot entspricht nicht dem Vorbild, Leitungen für Rauchkammerzugmessung sowie Heizleitungen zur Schmierpumpe
fehlen. Die runde Ausführung der Friedemann-Schmierpumpe entspricht nicht dem Vorbild. Hauptluftbehälter und die Haltestangen am
hinteren Kohlekasten sucht man vergebens. Auf die Rückstellfeder für die Umsteuerung wurde verzichtet. Das Schutzgitter zwischen Rahmenwasser-kasten und Kessel sitzt zu weit innen.
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Die Heizerseite der vergleichbaren 92 204. Bei dieser Maschine fehlen die Werkzeugkasten auf dem Rahmenwasserkasten sowie der
Funkenfänger. Aufnahmen der 92 202 von links sind leider nicht bekannt.
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Auffällig beim Liliput-Modell ist die falsche Ausführung der Luftpumpe. Die Injektoren sind stark vereinfacht wieder gegeben, die
Speiseleitungen sind zu kurz, Wasser- und Dampfleitungen zu den Injektoren fehlen ganz. Die Trittstufen an der Rückwand des
Kohlekastens sind nicht durchbrochen, die oberen an der Führerhausseitenwand haben die falsche Position. Der Auslösemechanismus
für die Dampfpfeife ist korrekt nachgebildet, die Pfeife ist im Vergleich zum Vorbild allerdings etwas zu grob. Die beiden Anstellstangen für die Sicherheitsventile fehlen.
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Das Liliput-Modell ist mit einer zweistufigen gerippten Luftpumpe ausgestattet, die besser in die Epoche III passt. Die Vorbildmaschinen der Epoche II hatten einstufige,
glatte Luftpumpen. Ausserdem fehlen Luft- und Schmierleitung, der Regler in der Zuleitung zur Pumpe sowie die Griffstange über der Pumpe.
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Unverständlicherweise haben beim Modell die Nieten an der Führerhausseitenwand und am Rahmenwasserkasten verschiedene Durchmesser und Abstände.
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Steuerung bei Vorbild und Modell
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Farbgebung/Finish/Beschriftung
Das Modell ist einheitlich mattschwarz lackiert. Alle angesetzten Details weichen weder in Farbton noch in Glanzgrad vom Basisgehäuse ab. Die Beschriftung ist lupenrein gut
lesbar und richtig ausgeführt, alle Schilder ausser den Nummerntafeln an Rauchkammertür und an Führerhausrückwand sind nur aufgedruckt. Gestänge und Radreifen sind schwarz vernickelt.
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Fazit:
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positiv: Maßstäblichkeit, lupenreine Beschriftung, Gehäuse und angesetzte Teile in identischem Farbton und Glanzgrad.
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negativ: Vereinfachte Ausführung vieler Details, einige falsche Details
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Preis: ab € 145,-
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Die bad Xb 366
Wesentlich später als ursprünglich angekündigt ist nun auch das Epoche 1 - Modell der bad. Xb erhältlich. Die technischen Daten entsprechen denen der Epoche 2 (und 3)
Ausführung und wurden bereits besprochen. Somit sollen hier nur auf die Vorbildtreue, die Detaillierung und die Farbgebung eingegangen werden.
Etwas schwierig gestaltet sich die exakte Zuordnung der nachgebildeten Maschine zu einer Reihe. So entspricht
- die Ordnungsnr. der Reihe 1
- Rauchkammer ohne Verkleidung den Reihen 3 bis 7
- Schieberstangenführung den Reihen 1 bis 6
- Farbgebung (kein Glanzblech!) den Reihen 1 sowie 5 bis 7
Eine eindeutige Zuordnung ist somit nicht möglich. Ab Reihe 3 wurde auf die Rauchkammerverkleidung verzichtet, d.h. der äußere sichtbare Durchmesser der Rauchkammer ist
kleiner als der der Kesselverschalung, die ausgeführte Ordnungsnr. des Modells entspricht jedoch einer Maschine der ersten Reihe. Diese hatten noch die Verkleidung, so dass Rauchkammer
und Kessel äußerlich den gleichen Durchmesser hatten.
Durch Abänderung der Bahnnummer in 368 könnte eine plausible Ausführung einer Maschine der Reihe 3 nach einer nicht unwahrscheinlichen Neulackierung der ursprünglichen
glanzblechverkleideten Zylinder- und Kesselpartien geschaffen werden. Nachfolgend die Abweichungen zu den Vorbildmaschinen der Reihe 3:
Kessel und Rauchkammer: Bereis beim DRG-Modell wurde die falsche Ausführung der Pumpe bemängelt. Diese war eine einstufige
Knorr-Pumpe und hatte keine Kühlrippen. Nachgebildet wurde jedoch eine zweistufige Pumpe mit Kühlrippen. Umsoweniger
nachvollziehbar, da die einstufiger Pumpe der A3/5 hätte verwendet werden können. Auf der linken Kesselseite fehlt die Leitung zum
Hilfsbläser, rechts fehlen die Dampfleitungen zur Schmierpumpe sowie die Leitungen zu den Luftsaugventilen an den Zylindern. Auf der
Lokführerseite fehlt die Griffstange (in Verlängerung der Anstellstange für die Zylinderentwässerung).
Aufnahme der Maschine mit der Nr. 870 aus der 4. Lieferserie. Die Großherzogliche Beschriftung wurde bereits entfernt, Aufnahmezeitpunkt vermutlich um 1920.
Wasserkasten und Umlauf: Die wohl beabsichtigte Warzenblechstrukturierung des Umlaufs entspricht eher einer Krähenfußnachbildung
aus heutiger Zeit. Die Haken zum Anheben des Wasserkastens sind nur ansatzweise nachgebildet. Am hinteren Ende des Wasserkastens
fehlen beidseitig die Probierhähne. Wie schon beim DRG-Modell bemängelt entspricht die runde Ausführung der Friedemann
-Schmierpumpe nicht dem Vorbild (siehe weiter unten Detailaufnahme).
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Führerhaus und Kohlekasten: Die nachgebildeten Fensterschirme an den beiden äusseren hinteren Fenstern waren beim Vorbild nicht
vorhanden, die senkrechten Griffstangen neben den Fenstern waren kürzer und nicht nach innen gebogen. Beim Modell fehlt die
Griffstange unterhalb des Dachs, die Griffstangen unterhalb der Kohlekastendeckel waren durchgängig und nicht wie beim Modell
unterbrochen. Die Vorbildmaschinen hatten drei Kohlekastendeckel, die Ausfürhrung beim Modell ist Phantasie. Schlussscheiben- bzw.
Signallampenhalter wurden beim Liliput-Modell nicht nachgebildet. Die nachgebildeten Lampen sind eher preußischen als badischen Ursprungs.
Zylinder und Steuerung: Auf die Nachbildung der Kolbenstangenschutzrohre wurde verzichtet, obwohl dafür keine Notwendigkeit
besteht. Die Schwinge hängt zu tief im Schwingenlager.
Fahrwerk: Die Detaillierung des Fahrwerks ist sehr dürftig. die Aussparungen im Rahmen sowie die Abstützung des Umlaufs fehlen
gänzlich. Die Bremszylinder sind nur als Halbrelief angedeutet, das Bremsgestänge fehlt. Die an den Pufferbohlen angedeuteten
Bremsschläuche haben wenig mit den Vorbild zu tun. Die nachgebildeten Puffer sind nur zweifach, die der Vorbildmaschinen waren vierfach geschlitzt.
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Farbgebung und Beschriftung: Die Maschinen der Reihen 2 bis 4 wurden mit glanzblechverkleideten Kessel und Zylinderseitenwänden abgeliefert. Später wurden die Maschinen teilweise schwarz lackiert, da die Glanzblechverkleidung die Erwartungen hinsichtlich Korrosionsbeständigleit nicht erfüllen konnte. Ausserdem war die Verfügbarkeit der Glanzbleche nicht mehr gegeben. Ab Reihe 5 wurden die Maschinen werksseitig ohne Glanzblechverkleidung abgeliefert.
Fazit: Wie man sieht kommen einigen Unstimmigkeiten zusammen, die zum Nachbessern auffordern. Für den ‘Do it yourself’- Modellbauer bietet sich die Nachbildung einer Maschine der Reihe 3 oder 4 an, wobei insbesondere die Nachbildung der Glanzblechverkleidung reizt.
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